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Kunst, Kommerz und Cholesterin

Den Saarbrücker Alwin Alles verbindet eine skurrile Leidenschaft mit einem Firmen-Logo

 
       
   

Saarbrücken. Wer kennt es nicht, das fröhliche "M"? In warmem Gelb auf sattem Rot lockt es die Hungrigen herbei wie einst der Rattenfänger die kleinen Kinder. Ob in London, New York, Paris oder Hintertupfingen - "McDonald's" ist in aller Munde: Ein "World-wide-Web" der kulinarischen Art.

War es da nicht längst an der Zeit, die Ebene des profanen Konsum-Kommerzes zu verlassen und den Olymp zwischen Kitsch und Kunst zu erklimmen? Dieses Ziel hat sich offenbar der Saarbrücker Künstler Alwin Alles gesetzt. Er macht das "McDonald's-M" zum Gegenstand seiner Kunst. Seit fast dreieinhalb Jahren schon malt er mit Hilfe von Schablonen täglich eine etwa postkartengroße Aquarellvariation des Fast-food-Markenzeichens. Vor kurzem hat er Bild Nummer 1230 gemalt.

In den frühen "M"-Bildern ist die Nähe zum Original noch greifbar, später werden aus einem "M" viele, sie drehen sich, sie spiegeln sich, sie wechseln die Farben. Verschiedene geometrische Formen tauchen auf, Überschneidungen erzeugen neue Farben. Ein Vergnügen ist es, die wechselnden Bilder in der Daumenkino-Technik zu betrachten: Ein kleiner Stapel Bilder wird mit beiden Händen etwas gebogen, der Daumen einer Hand gibt in raschem Wechsel ein Bild zur Betrachtung frei. Durch die schnelle Folge entsteht der Eindruck von Bewegung - nun tanzen sie, die gefrässigen "Ms".

Wieso gerade das "McDonald's-M"? "Zum einen steht es sinngemäß für unsere Zeit und unseren Konsum. Zum anderen wird es auf der ganzen Welt wiedererkannt. Dazu ist es schlicht und hat eine schöne Form," erklärt der Künstler. Die enorme Zahl der Bilder erlaubt natürlich nicht, sie irgendwo aufzuhängen. In Stapeln liegen sie in diversen Schränken verstaut und harren ihrer Entdeckung. " Es ist ein Traum von mir, die Bilder in einem Museum auszustellen, das wie eine riesige Wendeltreppe gebaut ist, Aber das wird wohl ein Traum bleiben. Deshalb tut's natürlich auch eine 'normale' Galerie," erläutert Alwin Alles.

Neben den Bildern hat er genau 52 verschiedene Modelle für Hamburger-Verpackungen entwickelt: Appetitanreger vom Feinsten.

Trotz der Produktnähe versteht der Künstler seine Werke nicht als Werbung im engeren Sinne: "Ich mache Aktionskunst." Daher ist für ihn vor allem der Entstehungsprozeß von Bedeutung, der einer einzigen Regel folgt: Ausnahmslos an jedem Tag wird ein Bild gemalt. Die Wechselwirkungen mit dem Alltag des Computerfachmanns, der sein Geld ganz unpoetisch mit der Verwaltung von Kreditkarten verdient, sind das eigentlich Interessante: Da entstehen Bilder unter manchmal erschwerten Bedingungen, auf einer Reise in einer Londoner Kneipe etwa, mit ausgeklapptem Wasserfarbkasten und unter den befremdeten Blicken der Stammgäste. Verabredungen finden sogar manchmal vorzeitig ein Ende, damit vor Mitternacht noch das tägliche Bild gemalt werden kann.

Einige Städte sucht der gebürtige Freisener nur um ihrer wohlklingenden Namen willen auf, um sie als Entstehungsorte auf der Rückseite eines Bildes ausweisen zu können. So hatten schon Sils Baseglia oder Rapperswil die Ehre. Die italienische Stadt Poggibonsi lädt mit ihrem industriellen Charme nicht gerade zu einem zweiten Aufenthalt ein. Trotzdem wird Alwin Alles, wegen einer verpaßten Malchance, dort über kurz oder lang mit gezücktem Pinsel anzutreffen sein.

Während McDonalds's Deutschland generell auf Kunstsponsoring verzichtet, waren die saarländischen "McDonald's"-Betreiber zunächst einmal verblüfft. "Wir wollen dieses Werk unbedingt würdigen," erklärt der Pressesprecher Michael Rennig. "Deshalb sollte Alwin Alles innerhalb der Jubiläumsaktion der Stadt Saarbrücken unseren Löwen bemalen." Auch fünf der Ursprungswerke werden demnächst die saarbrücker McDonald's-Filiale in der Saargalerie verschönern. Eine Tournee einiger Werke durch andere Restaurants der Kette sei ebenfalls geplant.

"Diese Bilder sind mittlerweile zum wichtigsten Bestandteil in meinem Leben geworden," gesteht der 39-jährige mit einem Schmunzeln. Wie ein Ritus mutet diese Form der Kunst an. Sie hat die gleiche ordnende Wirkung und kann völlig losgelöst vom Inahlt existieren. McDonald's hat demnach keine echte Bedeutung in diesem Spiel um Zeichen. Schließlich hat Alwin Alles auch schon 777 Viva-Bilder und annährend 366 Variationen des documenta-Logos gemalt. Selbst den Euro hat's erwischt. Außerdem vermeidet der Hobby-Koch Fastfood und lädt lieber in unregelmäßigen Abständen zum exquisiten Acht-Gänge-Menü ein. Auch eine Form der Alltagskunst - mit greifbaren Vorzügen.

 
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